Mittwoch, April 18, 2007

Schäuble und die Medien - Wenn Journalisten über Juristisches schreiben

Der Bundesinnenminister Wolfgang (ich bin anständig) Schäuble hat es erneut geschafft in die Schlagzeilen zu kommen. Stein des Anstoßes sind folgende Aussagen aus einem Stern-Interview:

Schäuble spricht im neuen Stern davon, dass der Grundsatz der Unschuldsvermutung im Kampf gegen terroristische Gefahren nicht gelten könne.

stern.de


Hier einige Beispiele:

Google News

Schäuble will Unschuldsvermutung im Anti-Terror-Kampf nicht gelten lassen - Spiegel Online

Der Grundsatz der Unschuldsvermutung kann nach Ansicht von Bundesinnenminister Schäuble im Kampf gegen terroristische Gefahren nicht gelten - Zeit.de

Schäuble beschneidet Rechte Unschuldiger - Netzzeitung

Im Zweifel gegen den Angeklagten - Hamburger Abendblatt.de

Und ein Heer von Journalisten plappert einen Unsinn nach, den irgendjemand in die Welt gesetzt hat. Schäuble weist meines Erachtens nämlich völlig zurecht auf den gravierenden Unterschied von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung hin. Zur Verdeutlichung:

Die Gefahrenabwehr dient der Vermeidung bzw. Verhinderung von Straftaten. Deshalb lassen wir uns auch vor dem Besteigen eines Flugzeuges nach Waffen kontrollieren. Niemand (fast niemand) hält dies für unzumutbar. Jeder, Terrorist und anständiger Bürger, muss die Prozedur über sich ergehen lassen. Eine Unschuldsvermutung gibt es schlicht nicht. Im Recht der Gefahrenabwehr gilt das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Dieses wäre verletzt, wenn sich alle nackt ausziehen müssten und auch noch ohne Sichtschutz einer intensiven Inspektion sämtlicher Körperöffnungen unterzogen werden würden.

Anderes Beispiel: Die Vorschrift ein Gitter um einen Brunnen zu errichten, ist dem Recht der Gefahrenabwehr zuzuordnen. Hier kann die Aufsichtsbehörde ein Bussgeld verhängen.

Ist das Kind in den Brunnen gefallen, wird gegen den Eigentümer des Brunnen wegen möglicher fahrlässiger Körperverletzung ermittelt. Dann drohen Geld- oder Freiheitsstrafe.

Für alle Journalisten, Freiheitskämpfer und Betroffenheitsbekunder!

Die Unschuldsvermutung gilt im Strafverfahren, wenn wegen eines konkreten Verdachtes in einer bereits begangenen Straftat Ermittlungen aufgenommen werden.

Dann, aber auch nur im Strafverfahren gilt der Beschuldigte so lange als unschuldig, bis ein Gericht die Strafbarkeit rechtskräftig festgestellt hat. Dies ergibt sich auch aus Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der da lautet:

Artikel 6 Recht auf ein faires Verfahren

(2) Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.

Dejure Art. 6 EMRK

Wer natürlich jahrelang sein Wissen aus einer Zeitung mit großen Buchstaben gesaugt hat, kann diesen Unterschied nicht mehr kennen.

4 Kommentare:

  1. ... und wenn Sie Ihren Lesern noch verraten würden, aus welchen Bekundungen des Herrn Innenministers Sie eine inhaltliche Beschränkung dessen Aussagen bzgl. der Unschuldsvermutung auf das Recht der präventiven Gefahrenabwehr schlussfolgern, könnte man Ihrer Anmerkung hier tatsächlich einen Sinn beimessen.

    Mit Verlaub - in Zeiten wie diesen sind mir die z.T. übertriebenen oder fachlich ungenauen Darstellungen wesentlich lieber als das opportunistische "rein rechtlich ist da gar nichts dran"-Gehabe einiger Zeitgenossen.

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  2. Ich sehe es ebenfalls so: Die öffentlich-rechtliche Gefahrenbegriff wurde ja nun nicht grundlos geschaffen, sondern
    a) mit einem Ziel und
    b) hat er Voraussetzungen

    Die Äusserungen des Ministers lassen beides erheblich vermissen. Genaugenommen gilt die Unschuldsvermutung auch i mgefahrenbegriff: Deswegen dürfen ja auch erst ab einer bestimmten Schwelle maßnahmen (dann evt. aber auch gegen Nicht-Betroffene bzw. Nicht-Störer) unternommen werden.

    Diese akademische Diskussion lässt aber aussen vor, welche Maßnahmen bereits Diskutiert werden (Vorratsdatenspeicherung, zentrale Speicerung biometrischer Daten), so dass man sich letztendlich fragen muss, wo am Ende noch eine Schwelle zur Begründung einer Gefahr liegen sollte. Das nur als Gedanken zum Abend.

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  3. Für Gefahrenabwehr gelten andere Regeln als für Strafverfolgung, soweit richtig und in Ordnung. Die Berichterstattung und die damit verbundene Diskussion geht tatsächlich drunter und drüber.

    Aber: Wir hatten schon die Diskussion um Folteraussagen aus Guantanamo und CIA-Geheimgefängnissen. Wenn wir etwas, dass nach unserer Verfassung nicht möglich ist, andere übernehmen lassen, ist eine Regelung, die dieses im Vorfeld erlaubt, mE verfassungswidrig. Für Kombattanten gilt die Unschuldsvermutung ja nun gar nicht. Und da ist doch der Zusammenhang von Unschuldsvermutung und Gefahrenabwehr.

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  4. @ TK

    In dem Punkt sind wir uns vollkommen einig. Sollte jemand in Heiligendamm oder sonst wo ein Konzentrationslager a la Guantanamo erichten wollen, um verdächtige Subjekte wegsperren zu können, dann wäre nicht nur die Grenze zwischen Strafverfolgung und Gefahrenabwehr überschritten, sondern die Grenze zwischen Rechtsstaat und Unrechtsregime.

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