Dienstag, November 27, 2007

Neues Unterhaltsrecht - Wenn das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird

Am 09.11.2007 hat der Deutsche Bundestag die lange angekündigte Unterhaltsreform verabschiedet. Dabei musste das Unterhaltsrecht auch den Erfordernissen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.02.2007, Az. 1 BvL 9/04, BGBl. 2007 I S. 1032 (FamRZ 2007,965) angepasst werden, in der die unterschiedliche Bezugsdauer von Unterhalt wegen Kindesbetreuung bei verheirateten und nichtverheirateten Eltern als grundgesetzwidrig gerügt wurde.

Meines Erachtens wurde eine gut gemeinte aber schlecht gemachte Lösung gefunden. Dies möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen.

Für den Ehegattenunterhalt nach der Scheidung gilt nun folgender Grundsatz in § 1570 BGB n.F. :

§ 1570 BGB Entwurf Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes
(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen
der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen
Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt
Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs
verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit
entspricht.
Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden
Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.
(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich
darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der
Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in
der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit
entspricht


Die alte Fassung des § 1570 BGB lautete hingegen schlicht:

§ 1570 BGB Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes
Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.


Die alte Regelung hatte den Nachteil, dass durch die Wörtchen "solange" und "soweit" unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet wurden, die in jedem Einzelfall einer Auslegung bedurften und somit das Ergebnis eines Rechtsstreites nur schlecht prognostizieren ließen.

Die Stärke hingegen lag gerade in diesen unbestimmten Begriffen, weil diese eine maßgeschneiderte Lösung für den Einzelfall erlaubten. Hier stehen sich die Ziele Rechtsklarheit bzw. Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit diametral gegenüber.

Durch die Neuregelung wird nun für die Mindestdauer von drei Jahren ein Unterhaltsanspruch wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen
Kindes ab dem Zeitpunkt der Geburt fixiert. Unklar ist mir hingegen, wie sich dies auf Fälle auswirkt, in denen trotz des Vorhandenseins eines gemeinschaftlichen Kindes unter drei Jahren eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, sei es eine selbständig, künstlerische Arbeit oder eine Tätigkeit in einem hochqualifizierten Bereich, um den Anschluss an die fachliche Entwicklung nicht zu verlieren, oder einfach aus materiellen Gründen, diese Tätigkeit aber im Zuge der Trennung aufgegeben wurde.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes gilt der Anspruch nämlich ohne jedes "wenn" und "aber". Hier ist durch die wenig durchdachte, auf Stereotypen beruhende Gesetzesfassung Streit vorprogrammiert.

Dabei darf nicht verkannt werden, dass sich das Einkommen beim nichtbetreuenden Elternteil nicht beliebig vermehren lässt, und bei fast jeder Trennung statt einer Unterkunft nun zwei Wohnungen finanziert werden müssen. Auch wenn es sich um ein rein akademisches Gedankenspiel handeln sollte, halte ich die gesetzgeberische Qualität in letzter Zeit für bedenklich.

Der Gesetzgeber scheint von den Menschen immer mehr zu verlangen, ihr Leben an den Gesetzeswortlaut anzupassen, anstatt dass die Normen so flexibel und dennoch hinreichend bestimmt so gefasst werden, dass sie zwanglos auf unterschiedliche Lebenssachverhalte angewendet werden können. Hier sei auf die "Objektrechtsprechung" des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen, die besagt, dass es mit der Würde des Individuums nicht mehr vereinbar ist, wenn es nur noch als Objekt staatlichen Handelns wahrgenommen wird (BVerfGE 45, 187).

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