Mittwoch, September 29, 2010

Das Gericht entscheidet, es hat gar keine andere Wahl

Derzeit ist die Rechtssprechung des EGMR zu den überlangen Verfahrensdauern ein beliebtes Thema. Unter dem Stichwort "justice delayed is justice denied" (verzögerte Gerechtigkeit ist verweigerte Gerechtigkeit) werden Abhilfemöglichkeiten erörtert, um die Belastung der Gerichtsbarkeiten mit neuen Verfahren zu beschränken oder Wege gesucht, einvernehmliche Streitbeilegungen zu erzielen.
Sei es nun ein vorgeschaltetes Schlichtungsverfahren, vgl. § 15a EGZPO, die Einrichtung von Schiedsstellen oder Ombudspersonen, Mediation oder das Bemühen der Gerichte auf eine einvernehmliche Lösung hinzuwirken; vgl § 278,I ZPO.

Alle diese Ansatzpunkte haben ihre Berechtigung, ihre Vor- und Nachteile. Man darf dabei allerdings nicht übersehen, dass auch eine Autorität, die verbindlich vorgibt, was rechtens sei, die in ihren Entscheidungen unabhängig ist und dadurch Maßstäbe setzen kann, ein hohes Gut ist. Ein Vergleich ist eine Regelung zwischen den Beteiligten, eine weitergehende Wirkung kommt ihm nicht zu.

Stellen wir uns vor, es gäbe einen fiktiven § 24a BVerfGG, der da lauten könnte: "Das Gericht hat in jeder Lage des Verfahrens mit den Beteiligten auf eine gütliche Beilegung des Verfahrens hinzuwirken." und denken uns einen Sachverhalt, bei dem ein Gesetz zur Verlängerung von Atomkraftwerklaufzeiten durch die Fraktion der GRÜNEN dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vorgelegt würde. Es wird nun durch Vermittlung des Senats eine Einigung erzielt, die sowohl Opposition als auch Regierungslager das Gesicht wahren liese. Undenkbar!

Tatsächlich lautet § 25 Abs. 1 BVerfGG: "(1) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung, es sei denn, daß alle Beteiligten ausdrücklich auf sie verzichten.".

Das Gericht entscheidet, es hat gar keine andere Wahl.

Und das finde ich, sollte sich auch die übrige Gerichtsbarkeit zu Herzen nehmen. Auch eine Entscheidung des Amtsgerichts Posemuckel (c) kann über den Einzelfall hinaus  eine grundsätzliche Wirkung entfalten, während ein Vergleich zwischen A. und B. zwar deren Verfahren beendet, allerdings nicht beantwortet, was denn rechtens gewesen wäre und möglicherweise zwei unzufriedene und enttäuschte Parteien zurücklässt.

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