Mittwoch, September 29, 2010

An der Wirklichkeit vorbei

Der Gesundheitsminister macht einen dem Grunde nach sinnvollen Vorschlag. Auch gesetzlich versicherte Patienten sollen beim Arzt in Vorkasse treten und anschließend ihre Kosten bei der gesetzlichen Krankenkasse zur Erstattung einreichen. So soll mehr Transparenz und Kostenbewußtsein geschaffen werden.

Finde ich gut. Nur müsste vorher das Abrechnungssystem der Leistungserbringer mit den Krankenkassen so geändert werden, dass die Kosten anhand eines Tarifsystems errechnet werden können, also fixe Kosten für fixe Leistungen. Tatsächlich wird nach Regelleistungsvolumina(RLV) und sonstigen, jedenfalls nicht auf den Einzelfall bezogenen Kriterien abgerechnet.

Ich kann mich noch gut an einen Fall aus 2009 erinnern, in dem die gesetzliche Krankenkasse einen im Wege der Legalzession auf sie übergegangenen Anspruch auf Erstattung der Heilbehandlungskosten erst geltend gemacht und später nicht weiterverfolgt hat. Ich habe mir damals erlaubt telefonisch nachzufragen, in welcher konkreten Höhe denn die Heilbehandlungskosten angefallen wären. Das, so der Sachbearbeiter, könne er nicht ersehen.

Und nun, lieber Dr. Rösler, was soll der Hausarzt nun für einmal "Sagen Sie Ah-, bitte Husten, hier ihr Rezept, kommen Sie in zwei Wochen wieder" dem Patienten abrechnen?

6 Kommentare:

  1. Eine solche Vorkasse-Lösung zieht aber eine ganze Menge Folgen: Insbesondere ist das ein gewaltiger zinsfreier Kredit für die Krankenkassen (den sie womit genau verdient haben?), ausserdem stelle ich in Frage, dass Oma Pusemuckel ihr neues Hüftgelenk mal eben vorstrecken kann. Wenn aber eine solche OP über Deckungszusage bzw. Vorstreckung der Krankenkasse läuft, haben wir wieder nur Bürokratie vermehrt, einen weiteren Überweisungsvorgang in die Zahlungskette eingefügt und unser Gesundheitssystem noch komplizierter gemacht.

    Wenn das Ziel sein soll, Schnupfen-Husten-Heiserkeit-Dauerkunden aus Hausarztpraxen fernzuhalten, muss es auch einfacher gehen. Ich bin zwar kein Freund der Praxisgebühr, allerdings könnte man die durchaus auch pro Arztbesuch erheben statt pro Quartal - die Mehreinnahmen gegenüber jetzt aufkommensneutral in die Kassenbeiträge einpreisen, das könnte so manchen schon abeschrecken.

    Sozial ist das vielleicht nicht, weil es besonders die gesundheitlich wirklich Gebeutelten trifft (die nicht einfach entscheiden können, einmal weniger blau zu machen, sondern wirklich ärztlichen Rat benötigen), aber das ist auch nicht unbedingt Ziel eines FDP-Gesundheitsministers, oder?

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  2. Die Abrechnung auf Basis Regelleistungsvolumina (was für ein Wortungetüm) mit all ihrer Undurchsichtigkeit und Komplexität ist ja nur deshalb möglich, oder, besser gesagt: Nicht vollkommen unmöglich, weil ja eben der Arzt (der mit dem weißen Kittel, hauptberuflich Krankenkassenabrechner, häufig mit einem Nebenjob als Mediziner) mit der kranken Kasse abrechnet, nicht der Patient.

    Wenn man die Abrechnung dem Patienten in die Hand drücken können möchte (ohne, daß der beim Anblick des Zahlensalats gleich wieder behandlungsbedürftig wird), muß man das Abrechnungssystem eben wieder so gestalten, wie im OP[*] gefordert. Die dort auch angesprochene Transparenz muß man zu aller Erst schaffen.

    [*] OP: Original Posting, also der Blog-Eintrag. Nicht der gekachelte Saal.

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  3. Die Idee hat nur den Charme, dass der - mündige - Patient endlich einmal sehen kann, was der liebe Onkel Doktor denn da so abgerechnet hat, wenn ich bei ihm war.

    Aber wir können ganz sicher sein: Da die Politik in Deutschland nicht von Politikern gemacht wird (und schon gar nicht vom Pharmalobby-Freund Rösler), sondern von den Verbänden, wird alles möglich geändert, nur das sicher nicht....

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  4. Da lachen ja die Hühner. Endlich hat jemand gemerkt, dass die Vergütungssysteme nicht kompatibel sind und dass der Vorschlag wohl zu höheren Kosten führen wird.
    http://www.heilpraxisnet.de/naturheilpraxis/roesler-plant-vorkasse-beim-arztbesuch-1678.php
    (vgl. 4. Absatz)

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  5. > Die Idee hat nur den Charme, dass der - mündige - Patient endlich einmal sehen kann ...

    Das ließe sich auch dadruch erreichen, daß der Patien eine Übersicht dessen bekommt,w as er der Kasse gegenüber abrechnen will und das dann unterzeichnen muß.

    Ein intensives "Sagen Sie Ah-, bitte Husten, hier ihr Rezept, kommen Sie in zwei Wochen wieder" Beratungsgespräch?

    Ein Rezeptabholen ohne den Arzt zu sehen?

    Der MÜNDIGE Bürger wird daran interessiert sein.

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  6. Das setzt nun aber wieder voraus, dass das Vergütungssystem eine sofortige Bezifferung der Leistung zulässt. Nach dem jetzigen Stand weiß ein niedergelassener Arzt oft erst nach einem Jahr, wieviel er/sie/es für die gesamte Tätigkeit in einem bestimmten Monat verdient hat. Dabei ist keine Nachvollziehbarkeit hinsichtlich des wertes einer bestimmten Leistung (gegenüber einem Kassenpatienten) gegeben.

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