Dienstag, September 28, 2010

Kopfschütteln über das Bundesverfassungsgericht

Gestern habe ich den Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Neuberechnung der Hartz IV-Regelsätze insbesondere wegen der angewandten Methode kritisiert. Vielleicht etwas vorschnell. Denn der Referentenentwurf hat sich mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts durchaus auseinandergesetzt, vgl. Seiten 12,13.


- 12 -
...
1.2 Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Ermittlungsmethode
Für die Ermittlung von Regelbedarfen ergeben sich aus dem Urteil folgende Vorgaben für Verfahren und Methode:
- Die eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte sind „nachvollziehbar offenzulegen“ (Rn. 146).
- Die Bedarfsarten und die hierfür aufzuwenden Kosten sind zu ermitteln, daraus ist die Höhe des gesamten Bedarfs für die Gewährleistung des Existenzminimums zu bestimmen. Hierfür gibt das Grundgesetz keine bestimmte Methode vor. (Rn. 139)
- Der Gesetzgeber darf die hierfür von ihm zu verwendende Methode „im Rahmen der
Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auswählen“ (Rn. 139).
- 13 -
- Das für die bisherige Regelsatzbemessung auf der Grundlage der Regelsatzverordnung
verwendete Statistikmodell stellt „eine verfassungsrechtlich zulässige, weil vertretbare Methode zur realitätsnahen Bestimmung des Existenzminimums“ dar (Rn. 162). Es stellt ein grundsätzlich „taugliches Berechnungsverfahren zur Bemessung des Existenzminimums“ dar (Rn. 146).
- Die Entscheidung für das Statistikmodell bindet den Gesetzgeber. Er darf nicht ohne sachliche Rechtfertigung von der gewählten Methode abweichen (Rn. 139), „ohne es durch andere erkennbare oder tragfähige Kriterien zu ersetzen“ (Rn. 146).
 - Die in der (bisherigen) Regelsatzverordnung enthaltenen und sich auch auf die Ermittlung der Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch auswirkenden Abweichungen „von den Strukturprinzipien des Statistikmodells“ sind ohne sachliche Rechtfertigung erfolgt. Deshalb ist die Ermittlung der Höhe der zur Gewährleistung des Existenzminimums erforderlichen Leistungen nicht in verfassungsgemäßer Weise durchgeführt worden (Rn.173).
Die oben angegebenen Randnummern (Rn.) verweisen auf das Urteil vom 09.02.2010.

Doch Bundesverfassungsgericht hin oder her, für mich ist es befremdlich, wenn das Konsumverhalten einer bestimmten Gruppe von Geringverdienern statistisch zur Ermittlung des Existenzminimums ausgewertet wird. Denn darin liegt die Aussage "Das, was sich Geringverdiener leisten und leisten können, setzen wir um einen Abschlag bereinigt als Existenzminimum an". Statt festzulegen, wie wenig Geld im Monat für einen bestimmten Warenkorb zu reichen hat, mit dem die essentiellen Bedürfnisse zu befriedigen sind, wird unterstellt, dass das untere (statistisch bereinigte) Einkommensquintel ausreichend Geld verdient, um das Existenzminimum zu decken, so dass aus dem Ausgabeverhalten dieser Gruppe abgeleitet werden kann, was zum Existenzminimum gehört und wieviel Geld hierfür vorzusehen ist.

Aus der Leistungsfähigkeit einer Vergleichsgruppe wird der Bedarf einer anderen Gruppe abgeleitet.

Ich glaube nicht, dass eine andere Berechnungsmethode zu betragsmäßig signifikant anderen Zahlen kommen würde, doch halte ich die Methode für fehlerhaft, weil sie auf einem Zirkelschluss beruht.

1 Kommentar:

  1. Mein lieber Scholli, wenn ich den Herrn Altmaier von der CDU lese, bekomme ich ja den Eindruck, dass die Festlegung des Betrages, der zur Führung einer menschenwürdigen Existenz eines Menschen nötig ist, nicht von objektiven Faktoren abhängt, sondern vom Wohlwollen der Regierungskoalition.

    Komm mal schön vom Sockel runter.

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