Freitag, Januar 14, 2011

Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung? Nein, ins Bundesgesetzblatt!!!

Eine in Berufsausbildung befindliche Mandantin beantragt im Oktober 2010 einen Kostenzuschuss für Lernmittel gem. § 24a SGB II.

Der zuständige Kostenträger weist den Antrag zurück, wir erheben unter Hinweis auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut Widerspruch, der unter Hinweis auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut zurückgewiesen wird. Immerhin war der Wortlaut im Bescheid wie folgt abgedruckt:

Schüler, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die eine allgemeinbildende oder eine andere Schule mit dem Ziel des Erwerbs eines allgemeinbildenden Schulabschlusses besuchen, erhalten bis zum Abschluss der Jahrgangsstufe 10 eine zusätzliche Leistung für die Schule in Höhe von 100 Euro, wenn...
Dies entspricht der Fassung im Bundesgesetzblatt 2008 Teil I Nr. 64, S. 2955, 2957.

Der aktuelle Wortlaut der Vorschrift liest sich bei dejure.org hingegen so:

Schülerinnen und Schüler, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen, erhalten eine zusätzliche Leistung für die Schule in Höhe von 100 Euro, wenn...

Dies entspricht der berichtigten Fassung gem. Bundesgesetzblatt 2009 Teil I Nr. 43, S. 1959, 1972.

Für die Praxis kann das nur heißen, jede von der ARGE zitierte Gesetzesfundstelle zu verifizieren. Ich frage mich, wie vielen Betroffenen im Bereich dieser sachbearbeitenden Stelle unter Hinweis auf den eindeutigen Wortlaut eines veralteten Gesetzestextes ein gestellter Antrag auf Zuschuss abgelehnt wurde? In unserem Fall ist die Klagefrist noch nicht abgelaufen.

Ein anonymer Kommentator weist auf § 44 Abs. 1 SGB X hin. Danke!

3 Kommentare:

  1. In solchen Fällen sei für die Betroffenen, die die Klagefrist versäumt haben, auf § 44 Abs. 1 SGB X verwiesen.

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  2. Grundsätzlich ist es so, dass alle Bescheide der Soziallelsitungsträger mit äußerster Sorgfalt auf den Stand der angewendeten Norm überprüft werden müssen. Das liegt nicht nur an einer - sagen wir mal gewissen "Oberflächlichkeit" einiger Sachbearbeiter - sondern ganz banal daran, dass diese z.T. nicht mit aktuellen Texten arbeiten (was im Sozialrecht zugegebener Maßen auch nicht immer ganz einfach ist), weil ihnen die schlichtweg nicht vorliegen.

    Ansonsten ist es sicher auch kein Zufall, dass das SG Berlin für das vergangene Jahr im Bereich Hartz IV eine Aufhebungsquote von 50 % attestiert hat. Das Gesetz ist unübersichtlich, unprofessionell zusammengeschustert worden, die Sachbearbeiter überfordert und dieren Ausstattung miserabel.

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  3. "Das Gesetz ist unübersichtlich, unprofessionell zusammengeschustert worden, die Sachbearbeiter überfordert und dieren Ausstattung miserabel."

    Das Gesetz ist wahrscheinlich im klassischen Sinne keines, da es im Hinterzimmer von Interessenvertretern (der Wirtschaft, etc.) zusamammengeschustert worden ist, deswegen vermißt man auch die Rücksicht auf die Rechts- und Gesetzeslage abseits des Sozialrechts sowie auf die Grundrechte.

    Die Sachbearbeiter mögen überfordert sein, wichtig ist aber vor allem, daß sie (als Angestellte des öffentlichen Dienstes) willfährige Befehlsempfänger derer sind, die oben sitzen und die Richtung bestimmen. Die einzig wichtige Richtschnur hierbei ist das Ziel, finanzielle Einsparungen zu erzielen, ausgedrückt in den jährlichen "Zielvereinbarungen" zwischen der BfA/dem Ministerium und den "Jobcentern". In der Vereinbarung für 2011 werden "Sanktionen" als Mittel der Zielerreichung sogar ausdrücklich genannt.

    Die Mitarbeiter stecken in diesem System dergestalt drin, daß sie erstens häufig befristet beschäftigt werden (Kettenbefristungen vermutlich) und zweitens ihre Weiterbeschäftigung von der Erreichung der "vereinbarten" (=okroyerten) Ziele abhängig gemacht wird. Dies sind Einsparungen, Verhängung von "Eingliederungsvereinbarungen", "Eingliederungs"Quote, und derlei mehr.

    Weil die Beschäftigten am besten wissen, wie dieses Schweinesystem funktoniert, dürften sie am meisten Angst davor haben, demnächst vor ihrem von jemand anderem besetzen Schreibtisch erscheinen zu müssen. Ergebnis, wie in Deutschland nicht anders zu erwarten: Kuschen, Kadavergehorsam und alles exekutieren, nur nicht kritisieren oder auch nur (für sich) hinterfragen. Das könnte Gewissensbisse auslösen.

    Stattdessen ist man in den "Jobcentern" bereit, dem gängigen Neusprech zu folgen (Arbeitslose nicht alleine lassen / Wer Geld erhält, darf sich nicht zurücklehnen / Wir müssen etwas tun / etc. pp), sich mit anderen Worten das Gehirn waschen zu lassen. Tatsächlich erlebe ich dort Figuren, die einem normalen Menschen äußerlich zwar ähnlich sind, jedoch sprachlich in etwas so daherkommen wie Roboter (ständige Wiederholungen, auch in Variantionen, kein Eingehen aus Argumente, Nicht-Verstehen oder Verweigern, wenn man auf gewissen Dinge zu sprechen kommt) oder wie Scientology-Anhänger.

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