Freitag, September 09, 2011

Kindschaftssachen nach dem Cochemer Modell oder ähnlichen Konsensmodellen - ein Negativbeispiel

Die Eltern leben nach über dreijähriger Trennung in Scheidung. Es gibt zwei Kinder 6 und 10 Jahre alt. Kontakt mit dem Kindesvater hat während der Trennungszeit nur sporadisch stattgefunden.

Die Mutter benötigt die Pässe und wir schreiben den Vater an, mit der Bitte um Herausgabe. Er bestreitet die Pässe zu haben und schreibt in einer e-mail wortwörtlich:

"Zu diesem Zweck wurde die Ehe geschlossen und die Kinder produziert...
Ich wünsche ihr und ihren Kindern für den weiteren Lebensweg viel Erfolg, vor allem auch in ihren beruflichen Bemühungen"

Ich stelle VHK-Antrag für ein isoliertes Sorgerechtsverfahren, weil für meinen Geschmack das Desinteresse des Vaters an seinen Kindern überdeutlich ist.

Familiengericht und OLG weisen den VKH-Antrag ab.

"Der Entzug der elterlichen Sorge bedeutet einen schwerwiegenden Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen. Ein vorwerfbares Verhalten des Antragsgegners ist nicht erkennbar. Aus seiner e-mail ergibt sich auch nicht, dass er auf sein Sorgerecht verzichten will."

Ich hatte in der Beschwerde argumentiert: " Der Hinweis des Gerichts zeigt nur die eine Seite der Medaille. Art. 6 Abs.2 GG lautet" Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche RECHT der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende PFLICHT." Nach Auffassung des Unterzeichners kommt in dem E-mail-Zitat ein derart zur Schau gestelltes Desinteresse an seinen eigenen Kindern zum Ausdruck, dass in der Person des Antraggegners durch Entzug der elterlichen Sorge nicht vom Verlust einer Rechtsposition auszugehen ist, sondern von der Entbindung einer missliebigen Pflicht."

Daraufhin habe ich den VKH-Antrag zurückgenommen und den Sorgerechtsantrag fristgerecht als Folgesache in das Scheidungsverfahren eingebracht und beantragt, die hierfür bereits bewilligte VKH auf die Kindschaftssache zu erstrecken.

Nachdem der Kindesvater im Scheidungstermin nur noch über seine Ex-Frau und die Kinder schimpfte, sah auch das Gericht ein, dass zwischen den Eltern keine tragfähige Grundlage für die gemeinsame Ausübung des Sorgerechts bestand. Nach kurzer, heftiger Erörterung stimmte der Vater der Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf die Mutter zu.

Dieser Fall wird mir in Zukunft eine Lehre sein. Nach den Konsensmodellen soll sich der Sachvortrag auf das unbedingt Nötige erschöpfen. Was dem Gericht allerdings als "nötig" erscheint, um Erfolgsaussichten für die Gewährung von VKH annehmen zu können, bleibt im Dunkeln.

Im vorliegenden Falle hatte ich bewußt darauf verzichtet, die gewaltätigen Übergriffe des Vaters gegen Ehefrau und Kinder nochmals zu erwähnen; wie sich zeigte, waren diese dem Gericht noch bekannt. Durch die Ablehnung der VKH für das isolierte Sorgerechtsverfahren habe ich viel Geld verloren und viel Arbeit geleistet, die mir niemand bezahlt.

In Zukunft werde ich lieber den Jauchekübel ausleeren, bevor ich mir selbst den Vorwurf machen muss, zu dezent und damit zu wenig überzeugend vorgetragen zu haben.

1 Kommentar:

  1. Dass sich der Sachvortrag auf das unbedingt Nötige beschränken soll, bedeutet gerade nicht, dass man sich auf einen nicht ausreichenden Tatsachenvortrag beschränken darf (wie dies bei dem Hinweis auf eine einzelne E-Mail der Fall ist, die, wie jeder von uns weiß, in spontanem Ärger auch schonmal missraten kann).

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