Donnerstag, April 26, 2012

Gebührenfrage - Geiz ist geil, leider nur für die Staatskasse

Ein Onkel hat einen minderjährigen Neffen sexuell missbraucht. Auch dessen Geschwister waren bereits Opfer ähnlicher Delikte. Nun machen die beiden Eltern, zwei volljährige Geschwister und das minderjährige Kind Abwehransprüche nach dem Gewaltschutzgesetz gegen den Onkel geltend. Die Ansprüche werden in einem einzigen Antrag von einem einzigen Anwalt geltend gemacht. Darin wird für jeden Antragsteller gesondert auf dessen Abwehransprüche (z.B. Fernbleiben des Antragsgegners von Wohnung der Eltern, Arbeitsplatz des Vaters, Schule des Bruders, Wohnung der Schwester) eingegangen. Alle Antragsteller erhalten Verfahrenskostenhilfe und der Beschluss wird auch im Hauptsacheverfahren antragsgemäß erlassen.

Das Gericht setzt den Verfahrensstreitwert auf 2.000,00 EUR fest.

Wie ist abzurechnen?

Auf Antragstellerseite stehen 5 Individuen, die jeweils höchstpersönliche Rechte geltend machen.

Eine Erhöungsgebühr nach Ziffer 1008 VVRVG kommt nicht in Betracht, weil die Auftraggeber hier gerade nicht in derselben Angelegenheit vertreten werden.

Allerdings handelt es sich um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 7 Abs. 1 RVG, da hier mit Angelegenheit lediglich das Verfahren und der Lebenssachverhalt gemeint ist. Deutlich wird dies aus dem Standardbeispiel der Kommentierung.

Ein Rechtsanwalt macht aus einem Verkehrsunfallgeschehen Ansprüche wie folgt geltend:
Halter/ Eigentümer wegen Sachschadens 5.000,00 EUR
Fahrer wegen Schmerzensgeld 3.000,00 EUR
Beifahrer wegen Schmerzensgeld 2.000,00 EUR

Der Anwalt kann seine Gebühren höchstens aus einem Streitwert bis 10.000,00 EUR berechnen.

Somit scheidet im Ausgangsfall eine fünfmalige Abrechnung aus einem Streitwert von 2.000,00 EUR aus.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage lege ich Steitwertbeschwerde ein mit dem Ziel einer Erhöhung des Gegenstandswertes für das Verfahren. Zur Begründung weise ich darafufhin, dass der Gesetzgeber mit § 7 RVG und Ziffer 1008 VVRVG sehr wohl den erhöhten Arbeitsaufwand und das erhöhte Haftungsrisiko des beauftragten Rechtsanwaltes gesehen und berücksichtigt hat. Einerseits durch Erhöhung des Gebührenquotienten, andererseits durch Erhöhung der Bemessungsgrundlage, da im Beispielsfall die Streitwerte zusammengerechnet werden.

Nach § 49 Abs. 1 FamGKG beträgt der Verfahrenswert 2.000 Euro in Gewaltschutzsachen; ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.

Das Amtsgericht hilft der Beschwerde nicht ab. Das OLG weist die Beschwerde zurück. Auch bei Vertretung von 5 Auftraggebern sei es nicht unbillig, den Regelverfahrenswert anzusetzen.

Fazit: So sehr es mich freut, dass meine Mandanten in ihrer Rechtssache durchweg erfolgreich waren, am Ende ist das unabhängige Organ der Rechtspflege der Dumme, er hat den höheren Arbeits- und Kommunikationsaufwand, haftet 5 Auftraggebern und erhält genau die gleiche Vergütung, als hätte er nur einen einzigen Mandanten vertreten. 





1 Kommentar:

  1. "Nun machen die beiden Eltern, zwei volljährige Geschwister " -- was ich da jetzt wieder aus aktuellem Anlaß hiningelesen habe, bevor ich gemrkt habe, daß KEIN Komma nach Geschwister steht.

    Soviel nur zur Wichtigkeit der Kommasetzung im Deutschen.

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