Mittwoch, März 06, 2013

Heiliger Bürokratius

Ist der Mensch da, um dem Staat die Verwaltung zu vereinfachen, oder sollte die Verwaltung so organisiert werden, dass ihre Inanspruchnahme durch das Volk keine unüberwindbaren Hindernisse bereitet?

Mir sind wieder einige Dinge zu Ohren gekommen, die mich in Staunen versetzt haben.

1. Elektrofahrzeuge benötigen keine Feinstaubplakette

Was auf den 1. Blick purer Logik entsprechen mag, entpuppt sich auf den 2. Blick als krasses gesetzgeberisches Versagen. Denn die Plakette wird dem Fahrzeug ja nicht zugeteilt, damit dieses sich damit schmücken kann, sondern soll es dem geneigten Mitarbeiter der staatlichen Verwaltung auf einen Blick ermöglichen, die Frage zu entscheiden, ob dieses spezielle Gefährt nun berechtigt ist oder nicht in eine liebevoll eingerichtete Umweltzone einzufahren.

Wie mir ein Kollege mitteilte, der stolzer Besitzer eines E-Autos ist, nervt es ihn gewaltig, dass er in den letzten Wochen und Monaten mehrfach wegen der fehlenden Plakette seines Wagens angehalten und kontrolliert worden ist.

2. Zwang zur Anschaffung eines Farbdruckers zwecks Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.

Neue Vorschriften, die das Verfahren in Zwangsvollstreckungssachen regeln, sehen einen besonderen Formularzwang vor, etwa für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.
Diese Formulare enthalten nicht nur einen vorgegebenen textlichen Inhalt, sondern auch bestimmte farbliche Gestaltungen vor. Diese sind ohne einen leistungsstarken Farbdrucker gar nicht mehr in Eigenregie herzustellen.

Ziel der Einführung der neuen Formulare ist eine Effizienzsteigerung insbesondere bei den Gerichten. Deshalb hat der Gesetzgeber bestimmt, dass der Antragsteller/die Antragstellerin die Formulare benutzen muss. Allerdings darf der Antragsteller/die Antragstellerin während einer Übergangszeit von sechs Monaten wählen, ob er/sie die neuen Formulare oder alte Vordrucke nutzen möchte. Die Übergangszeit läuft am 28. Februar 2013 ab. Vom 1. März 2013 an müssen die neuen Formulare verbindlich genutzt werden. In rechtlicher Hinsicht ist dabei das Eingangsdatum beim Gericht maßgeblich.
Ganz abgesehen davon, dass Maßnahmen der Zwangsvollstreckung bislang keinem Anwaltszwang unterlegen haben, wird nun faktisch kaum jemand eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme einleiten können, ohne zuvor auf professionellen Beistand zurückzugreifen, der über entsprechende Software und Hardware zum Erstellen und Ausdrucken der Formulare in der Lage ist.

Dass nun aber auch noch die exakte grafische Gestaltung, einschließlich die Einhaltung bestimmter Farbtöne, Voraussetzung sein soll, um überhaupt Zugang zur Zwangsvollstreckungsabteilung zu bekommen, das schlägt dem Fass den Boden aus.

Was mich in diesem Zusammenhang weiter ärgert ist, dass diese Neuerung gestern von einer Mitarbeiterin verkündet wurde, die zu einem Seminar bei einem Software-Anbieter geschickt wurde, um sich über die Änderungen im Ablauf der Zwangsvollstreckung und die Handhabung der Anwaltssoftware informieren zu lassen.

Haben hier Anwaltskammern und Anwaltsvereine geschlafen? Wie können wir es zulassen uns derart gängeln zu lassen? Effizienzsteigerung klingt gut, nur welcher Aufwand muss dafür in den Kanzleien betrieben werden?

1 Kommentar:

  1. Ihre Mitarbeiterin scheint da irgendwas nicht richtig verstanden zu haben. Die neuen Zwangsvollstreckungs-Formulare liegen als pdf-Dokumente für jedermann zum Herunterladen vor (z.B. hier: http://www.bmj.de/DE/Buerger/verbraucher/ZwangsvollstreckungPfaendungsschutz/_node.html), können von jedermann im normalen Acrobat Reader ausgefüllt und mit einem handelsüblichen Schwarzweißdrucker ausgedruckt werden.

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