Montag, März 02, 2015

Liebes Handelsblatt, selten habe ich einen so schlecht recherchierten Artikel gelesen

und der (link) stand auch noch unter "Redaktionsempfehlungen".

1. Bei der Trennung von zwei Ehepartnern/ eingetragenen Lebenspartnern ist die Scheidung selbst das geringste Problem. Seit der Eherechtsreform von 1977 gilt nämlich das Zerrüttungsprinzip, welches das "Schuldprinzip" angelöst hat.
Scheidungsvoraussetzung ist (neben einer wirksam geschlossenen Ehe) nämlich nur noch das Scheitern der Ehe, welches bei einer Trennungszeit von einem Jahr vermutet wird.

Rechtfertigungen, wer wieso weshalb die Ehescheidung beantragt, sind im Verfahren völlig unnötig.

2. Die Dauer des Verfahrens richtet sich danach, welche Streitfragen zu klären sind. 
Bei einer Ehezeit über 3 Jahren ist regelmäßig der Versorgungsausgleich durchzuführen, also die Aufteilung der während der Ehe erworbenen Altersanwartschaften.
Das Ermitteln dieser Anwartschaften und die einzuholenden Auskünfte sind in der Regel der Grund für ein länger andauerndes Verfahren.

Ohne den Versorgungsausgleich ist jeder Anwalt (online oder offline) dazu in der Lage ein kurzes Verfahren zu ermöglichen (wenn auch das Familiengericht mitspielt).

3. Anonymität darf in einer Anwaltskanzlei eigentlich gar nicht vorkommen. Schließlich ist jeder Anwalt gesetzlich gehindert widerstreitende Interessen zu vertreten.
Wenn also sowohl Herr A als auch Frau A in derselben Kanzlei eine Beratung wünschen, dann muss eine(r) von beiden weggeschickt werden. Außerdem muss die Identität der Mandanten geklärt sein, um die Honoraransprüche durchsetzen zu können und um zu verhindern, dass eine unzulässige Stellvertreterscheidung betrieben wird. Was wäre, wenn Frau A ihren Lover Herrn B dazu anstiftet, für Herrn A das Scheidungsverfahren zu betreiben?

4. Die Kosten des Scheidungsverfahrens sind gesetzlich geregelt. Ein gerichtliches Verfahren ist zwingend durchzuführen und vor Gericht darf kein Anwalt zu geringeren Sätzen arbeiten als nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorgesehen sind.

5. Spätestens seit der seit dem 21.06.2012 gültigen EU-Eheverordnung Nr. 1259/2010 (Rom III-Verordnung) ist es auch kein Hexenwerk mehr, internationale Ehen zu scheiden.

6. Rosenkriege lassen sich nicht vermeiden. Wenn Unterhalt, Zugewinn, Gesamtschuldnerausgleich, oder das Sorgerecht für gemeinsame Kinder zu regeln sind, ist das zeitaufwändig und kostenintensiv.

Kurz, liebes handelsblatt, in meinen Augen seid ihr einem Angeber auf den Leim gegangen, der mit Selbstverständlichkeiten für seine Geschäftsidee wirbt. Ein Mehrwert für den rechtsuchenden Kunden ist aus Sicht eines offline arbeitenden Fachanwalts nicht erkennbar. Denn der nötige Informationsaustausch kann in jeder modern eingerichteten Kanzlei, wo nicht jeder Schriftsatz in Steintafeln gemeißelt oder mit der Schreibmaschine getippt wird, ebenfalls via e-mail erfolgen.

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