Freitag, Januar 23, 2015

Inkassobuden und deren kreative Versuche der Honoraroptimierung

Kleinvieh macht auch Mist, der Spruch darf als bekannt vorausgesetzt werden.
Nun liegt mir ein Mandat auf dem Tisch, in dem es die beitreibende Kanzlei geschafft hat, vom Schuldner, gegen den im Jahre 2010 eine Hauptforderung von sagen wir 25,00 EUR tituliert war, nach 2 Teilzahlungen von jeweils rund 340,00 EUR zuletzt noch eine Restforderung von ca. 120,00 EUR geltend zu machen.

Mit anderen Worten: Für die Beitreibung von 25,00 EUR werden innerhalb von vier Jahren Gebühren , Zinsen und Auslagen von rund 775,00 EUR generiert oder die Brühe ist 31 mal so teuer wie die Brocken.

Irgendwann reisst auch dem kooperativsten und leidensfähigsten Schuldner der Geduldsfaden. Er suchte daher anwaltliche Hilfe.

Zwar kann dieses eklatante Missverhältnis von Haupt- und Nebenforderungen gerade im Bagatellbereich durchaus entstehen, etwa wenn zahlreiche Vollstreckungsmaßnahmen fruchtlos verlaufen sind oder der Schuldner sich dem Gläubigerzugriff zu entziehen versucht. Also nicht jedes Mal ist etwas faul, wenn die Kosten sich aufblähen wie bei einer Supernova.

Doch bei mir lag der Fall so, dass man durchaus daran denken kann die Anwaltskammer und die Staatsanwaltschaft hiervon in Kenntnis zu setzen.


Im Jahre 2012 wurde der Gerichtsvollzieher damit beauftragt Haupt- und Nebenforderungen von etwa 220,00 EUR beizutreiben. Zusammen mit den Gerichtsvollzieherkosten summierte sich das dann auf ca. 240,00 EUR.
Das dem Vollstreckungsauftrag beigefügte Forderungskonto wies auch keine Besonderheiten auf.
Der Vollstreckungsversuch ging ins Leere.

Neues Spiel, neues Glück. 2014 gab es eine Kontopfändung. Der Mandant war zwischenzeitlich zu etwas Geld gekommen und überwies zur Abwendung weiterer Vollstreckungsmaßnahmen 340,00 EUR an die Inkassokanzlei.

Fall erledigt? Weit gefehlt.

Er erhielt nun ein freundliches Schreiben, in welchem ihm seine Teilzahlung dankend bestätigt wurde. Beigefügt war ein aktuelles Forderungskonto (FoKo). Danach sollen alleine 2011 vier Einwohnermeldeamtsanfragen (EMA) durchgeführt worden sein, die jeweils mit 19,00 EUR aufgeführt waren. im FoKo von 2012 waren diese Kosten gar nicht aufgeführt; na, so was!

Die Einwohnermeldeamtsanfrage ist ein gängiges und zulässiges Instrument, um den Wohnsitz eines verloren gegangenen Schuldners zu ermitteln. Sie kostet jeweils, je nach der kommunalen Gebührenordnung zwischen 5,00 EUR und 10,00 EUR. 19,00 EUR sind mir jedenfalls noch nie vorgekommen. Der Betrag scheint auch nur deshalb angefallen zu sein, weil mit der Einholung der EMA ein externes Dienstleistungsunternehmen beauftragt wurde.

Pech, Kollegen. Im Wege der Zwangsvollstreckung können die notwendigen Kosten mitvollstreckt werden, nicht aber die nützlichen Kosten oder die aus Bequemlichkeit angefallenen Kosten.

Zwischenfazit: Mindestens 40,00 EUR zuviel berechnet, wenn nicht gar 76,00 EUR!

Nun schaue ich mir das FoKo noch genauer an.

Mir springt eine Position ins Auge; 170,00 EUR, bezeichnet als FK 10/2012-02/2014.

Kontoführungskosten, oder wie man das Kind nennen soll, darf der Gläubiger aber auch nicht berechnen. Und schon gar nicht fast 10,00 EUR pro Monat. Eine Inkassobude, erst recht eine Anwaltskanzlei muss das doch wissen. Schon 1995 hat das Amtsgericht Dortmund Kontoführungskosten des Gläubigers in Höhe von 2,50 DM (ca. 1,30 EUR) als unzulässig angesehen, Amtsgericht Dortmund Az. 125 C  1278/95 Urteil vom 23.03.1995.

Ihr Schelme. Daneben werden weitere mit FK bezeichnete Positionen aufgelistet, insgesamt etwa 230,00 EUR.

Und einmal mit Eifer bei der Ostereiersuche (im Januar) entdecke ich noch Kosten eines Inkassobüros von 70,00 EUR und Rechtsanwaltskosten für einen Teilzahlungsvergleich von fast 100,00 EUR.

Der Mandant zahlt im Juli 2014 erneut 340,00 EUR.

Im Oktober wird er aufgefordert den Restbetrag von 110,00 EUR zu bezahlen.

Die findige Kanzlei hatte weitere Kostenpositionen entdeckt, die eine Erfüllung der Restforderung und somit das endgültige Erlöschen der Hauptforderung verhindert hatten.

Die Hauptforderung bestand weiterhin in ungeschmälerter Höhe, weil eingehende Zahlungen zutreffend gem. 367 BGB zunächst auf Kosten dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptforderung angerechnet worden waren.

Alleine für einen weiteren Teilzahlungsvergleich sollte der Mandant noch ca. 80,00 EUR bezahlen.

Heute habe ich die "Kollegen" angeschrieben. Entweder es werden bis Anfang Februar rd. 350,00 EUR an den Mandanten zurückbezahlt und die hier entstandenen Kosten (mit Einigungsgebühr) übernommen, oder die Unterlagen werden flugs der Staatsanwaltschaft am Kanzleisitz und der zuständigen Rechtsanwaltskammer als Rechtsaufsichtsbehörde vorgelegt.

Denn der BGH hat mit Beschluss vom 05.09.2013, 1 StR 162/13 die Verurteilung eines Rechtsanwalts wegen versuchter Nötigung bestätigt, der offensichtlich unbegründete Forderungen beigetrieben und den angeblichen Schuldnern mit der Erstattung einer Strafanzeige gedroht hatte.

Auch wenn in meinem Fall nicht mit Strafanzeigen, sondern nur mit der Einleitung gerichtlicher Schritte gedroht wurde, halte ich den Fall  in vergleichbarer Weise für verwerflich, da ich die mit der Einleitung gerichtlicher Schritte einhergehende Aufblähung der Kosten auch für die Androhung eines empfindlichen Übels halte. Wohlgemerkt vor dem Hintergrund, dass hier schon die Hauptforderung zu den Nebenkosten im Verhältnis von 1:31 stand.

Möglicherweise werde ich den Berichterstatter der BGH-Entscheidung nach seiner Meinung fragen, da ich das Glück habe, ihn persönlich zu kennen.


Die vorstehenden Beträge habe ich übrigens abgewandelt, um Rückschlüsse auf den tatsächlichen Fall zu verhindern; die Größenordnungen sind jedoch zutreffend.


4 Kommentare:

  1. siehe auch Hergenröder, Rechts- und Vollstreckungsschutz bei angeschwollenen Bagatellforderungen, DGVZ 2009, 49-62

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  2. Da fragt man sich doch, wie oft die Inkassobuden mit derartigem durchkommen.

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  3. Ein weiterer Aspekt: wenn der Gläubiger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, dürfte auch die USt des Inkassobüros nicht als Verzugsschaden ersatzfähig sein, wird aber auch gerne mal mit eingerechnet.

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  4. Soll man sagen: Gravenreuthsch?

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