Dienstag, Juli 18, 2006

Das Ende der Unschuldsvermutung

Von Jan Ulrich wird gefordert durch eine Blutprobe, die gegen ihn erhobenen Eigenblut-Doping-Vorwürfe zu entkräften.

In Sachsen findet derzeit der größte Reihen-DNA-Test der Geschichte statt. Tausende junger Männer zwischen 20 und 30 Jahren werden "gebeten" eine Speichelprobe abzugeben. Und alle machen mit.

Beiden Vorgängen ist eines gemeinsam. Ein konkreter Vorwurf eines nicht regelkonformen Verhaltens wird erhoben, aber der letzte Beweis fehlt, bzw. die Identität der Person, die die Tat begangen hat, ist noch nicht bekannt.

§ 186 Strafgesetzbuch lautet:

Üble Nachrede
Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist , mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Wer Jan Ulrich des Dopings beschuldigt, muss daher den Beweis erbringen, oder er läuft Gefahr sich selbst strafbar zu machen.

Wer einen potentiellen Täter zur Speichelprobe auffordert, unterstellt die mögliche Begehung einer Straftat. Massen-DNA-Tests wären ohne die freiwillige Mitarbeit der in die Zielgruppe fallenden Personen nicht durchführbar. Es widerspricht aber der rechtstaatlichen Errungenschaft, dass eine Person so lange als unschuldig zu gelten hat, bis die Schuld rechtskräftig erwiesen ist. Bei Massen-DNA-Tests ist es gerade umgekehrt. Es existiert ein mehr oder weniger verschwommenes Täter-Profil und alle, die freiwillig ihre Gen-Probe abgeben erreichen dadurch ihre Streichung aus der Liste der verdächtigen Personen, oder aber sie wirken aktiv an ihrer eigenen Überführung mit.

Im Sinne der Strafverfolgung kann es nur sein, wenn die Bereitschaft zur freiwilligen Abgabe einer Speichelprobe möglichst lange anhält. Aus grundsätzlichen, rechtstaatlichen Erwägungen heraus ist dieser Hype problematisch.

Mit welchem Recht kann der Staat unbescholtene Bürger auffordern ihre Freizeit oder Arbeitszeit in einer Sporthalle zu verbringen, um den Ermittlungsbehörden die Arbeit zu erleichtern ?

Würde einige Tage nach einem Bankraub bei allen Passanten einer Fußgängerzone eine flächendeckende Kontrolle der mitgeführten Geldscheine erfolgen, wäre der Aufschrei groß. Nichts anderes als die Suche nach belastendem Material ist ein DNA-Test.

Meines Erachtens fehlt dafür eine verfassungsrechtlich haltbare Ermächtigungs-grundlage. Der technische Fortschritt muß sich an den bewährten rechtsstaatlichen Grundsätzen messen lassen und nicht umgekehrt.

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