Nehmen wir an, der Antrag wird umgesetzt, dann steht im GG "Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch".
Ein Satz, der nicht viel aussagt und nicht viel bewirkt. Denn welche Folgen leiten sich daraus ab ? Keine.
Es gibt noch kein Gesetz zur Regelung der Deutschen Sprache, nicht einmal den Ansatz dazu. Andere ausfüllungsbedürftige Sätze im GG wurden ergänzt mit "das Nähere regelt ein Bundesgesetz", oder (Kulturhoheit !) "die Länder werden ermächtigt Ausführungsgesetze zu erlassen".
Von geographischen Unterschieden abgesehen, in der Kurpfalz sagt man zu einem Brötchen "Weck", der Schwabe macht daraus ein "Weckle", der Bayer eine "Semmel", der Berliner eine "Stulle" und der Norden eine "Strippe", hätte letztere Möglichkeit zur Folge, dass dank des Grundgesetzes nicht ein Gesetz zur Regelung der Deutschen Sprache existiert, sondern 17 (wenn der Bund ein Regelungsbedürfnis für die Bereiche seiner Zuständigkeit sieht). Statt einer deutschen Sprache gäbe es plötzlich alleine in Deutschland deren 17.
Die größte Schwierigkeit sehe ich aber darin, ein organisch gewachsenes Phänomen wie die Sprache so zu definieren, dass Wandlungen und Anpassungen oder Ergänzungen möglich werden und bleiben, ohne dass die Bestimmtheit der Norm darunter leidet.
"Tabu" ist ein Wort aus dem polynesischen Sprachkreis, "Tohuwabohu" stammt aus dem Hebräischen. Der scheinbar urdeutsche "Tollpatsch" ist ungarischen Ursprungs. Diese Begriffe werden eher selten in einem amtlichen Schreiben zu finden sei, wohl aber in frei gehaltener Rede.
Die "actio libera in causa" umschreibt ein strafrechtliches Problem. Müsste nun hierfür ein lupenreiner deutscher Terminus (!) gefunden werden ? Was ist mit traditionellen Fachtermini überhaupt ? Die Medizin ist voll von lateinisch-griechischen Ausdrücken, die Informationstechnologie (wie sage ich es auf deutsch) strotzt vor englischen Ausdrücken.
Die Erziehungswerte und Fragen des guten Benehmens wiederum entstammen zum Großteil der französischen Sprache.
Die Globalisierung der deutschen Sprache ist jedenfalls deutlich älter, als der Begriff "Globalisierung".
Es dürfte nur ein paar tausend Menschen geben, die den "Sachsenspiegel" oder die Gedichte von Walther von der Vogelweide im Originalwortlaut verstehen. Wann beginnt somit die deutsche Sprache (und wann ist ihre Entwicklung abgeschlossen) ?
Der Satz wäre vergleichbar mit etwa Art. 22 Abs. 1 GG "Die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland ist Berlin". Dass der Begriff "Deutsch" nicht einfach und eindeutig definierbar ist, sehe ich nicht als Problem. Das sind die meisten Begriffe in den Gesetzen und im GG auch nicht. Selbst die Sprachwissenschaftler können kaum wirklich definieren, was ein Satz oder gar ein Wort ist, dennoch reden sie ständig darüber. Und ich glaube, niemand hätte wirklich ein Problem zu unterscheiden, ob gerade Deutsch oder etwa Englisch, Französisch oder Türkisch gesprochen wird. Wörter werden i.A. verwendet, nicht definiert.
AntwortenLöschenAußerdem soll damit sicher weder ausgeschlossen werden, das Dialekt gesprochen wird, noch dass Minderheiten wie etwa die Sorben unter sich ihre eigene Sprache verwenden. Nur hätte eben jeder ein Recht darauf, im öffentlichen Bereich auf Deutsch angesprochen zu werden (auch etwa im Bildungssystem, auch der Universitäten).
Der Berlner sagt zum Brötchen "Schrippe"; eine Stulle ist eine belegte Brotscheibe (zusammengeklapp??)
AntwortenLöschenrein Berliner, 61 Jahre
Die "actio libera in causa" ist natürlich kein rein strafrechtliches Problem (sondern für die zivilrechtliche Haftung sogar ausdrücklich im BGB geregelt).
AntwortenLöschenAddendum: Der Hamburger sagt zum Brötchen "Rundstück". Kommt wohl vom schwedischen/daenischen/norwegischen "rundstykke". Das ganze norddeutsche ist durchsetzt mit skandinavischen, englischen und hollaendischen Versatzstuecken.
AntwortenLöschenAber, zum Hauptthema, es geht doch gerade darum, eine symbolische Handlung ohne jegliche Realitaetsauswirkung zu zelebrieren. Das ist eine recht clevere Aktion; alle Fraktionen haben ein Thema, an dem sie emotionales Waehlerstreicheln ueben koennen (die einen mit patriotischem Gestus, die andern mit Voelkerverbindung und Transnationalitaet, ganz nach Wahlerbasis), ganz ohne Gefahr, dabei irgendwelchen Interessensgruppen auf die Zehen zu steigen.
Selbst als entschiedener Verfechter der deutschen Sprache und Gegner der Anglizismen- und Englischsucht (Informationstechnologie heißt auf Deutsch übrigens schlicht Informationstechnik) bin ich gegen die Aufnahme von Deutsch ins Grundgesetz. Aus ganz verschiedenen Gründen: Selbst für mich als juristischen Laien ist klar, daß dieser Satz allein keinerlei Wirkung hat. Aber ist er nicht auch recht gefährlich? Er könnte doch je nachdem, wer gerade zufällig die Macht hat, für alles mögliche mißbraucht werden. Außerdem erweckt er den Anschein von staats- und bildungspolitischem Handeln, während tatsächlich überhaupt nichts geschieht. Reine Augenwischerei also. Und nicht zuletzt sieht diese Maßnahme, wie ebenfalls schon gesagt wurde, nach einem billigen politischen Schachzug aus, der mit der Angst mancher Leute vor Überfremdung spielt. Ich bin durchaus der Meinung, daß unsere Muttersprache gefördert werden muß, aber nicht so.
AntwortenLöschenFrohe Weihnachten!