Freitag, Oktober 07, 2011

Ich entziehe hiermit der alten politischen Garde mein Vertrauen

Von vielen Seiten höre und lese ich, die Einführung des Euro in den Jahren 1992 bis 1998 sei richtig und wichtig gewesen. Ohne den Euro wäre die DM zu stark geworden, was zu einem massiven Wirtschaftseinbruch in Deutschland geführt hätte.

Das erinnert mich an die Schildbürger, die ein architektonisch ausgetüfteltes Haus mit allen Finessen errichtet hatten, aber schlichtweg die Türe vergaßen, so dass das schöne Gebäude nutzlos war.

Die selben Politiker, Merkel und Schäuble, waren bereits 1992 an der Regierung beteiligt. Sie waren taub gegenüber Warnrufen. Deutschland hatte eine unabhängige Bundesbank, um die uns andere Staaten beneideten. Die EZB ist Spielball politischer Kuhhandel und Postenschacherei.

Dem Konstrukt des Euro fehlt eine Tür. Es gibt keinen vorgesehenen Fluchtweg und Mitglieder, die sich nicht an die Regeln halten, können nicht des Hauses verwiesen werden.

Ausgerechnet Merkel und Schäuble versuchen nun einer baufälligen Hütte eine neue Fassade zu verpassen. Wenn sie einen Funken politischen Anstands besitzen würden, müssten sie das Feld räumen und ihr damaliges Versagen eingestehen.

Gleiches gilt für alle Parlamentarier, die alle Vorsichtsmaßnahmen missachtend, sich dem Druck ihrer Fraktionsführungen gebeugt und einer Währungsunion zugestimmt haben, die zwar einen politischen Traum erfüllt hat, aber handwerklich so schlecht ausgeführt war, dass die heutige Krise früher oder später hatte kommen müssen. Wozu leisten wir uns den Luxus von über 600 Abgeordneten, wenn sich unsere Volksvertreter in 3,4,5 oder 6 oder... Fraktionen gleichschalten lassen. Ich erwarte von jedem Abgeordneten, dass er/sie/es sich die Zeit nimmt, ein Vorhaben eigenständig zu prüfen und nicht auf die schwachsinnigen und inhaltsleeren Flugblätter baut, die von den Parteien so zu allen möglichen Themenbereichen verteilt werden.

Richtig ist zwar, dass man mit Bedenkenträgerei alleine nichts verändern wird. Richtig ist auch, dass man im Nachhinein stets klüger ist und daher das Bundesverfassungsgericht einen weiten Beurteilungsspielraum zugesteht. Aber Entscheidungen dieser Tragweite sind sorgfältigst zu treffen. Diese Sorgfaltspflichtverletzung werfe ich den Verantwortlichen vor. Denn die Beschwerdeführer, die 1998 gegen die Einführung des Euro das Bundesverfassungsgericht angerufen hatten, hatten im Nachhinein vollkommen Recht, nur wollte es damals, als die Währungsunion die letzte Hürde zu nehmen hatte, niemand auf Seiten der politischen Mehrheit zur Kenntnis nehmen.

(1) Die Vereinbarung einer Währungsunion ohne gleichzeitige politische Union sei ein struktureller Fehler des Maastricht-Vertrages, der zwangsläufig inflationäre Entwicklungen begünstige. Bei Fehlen einer politischen Union könne eine am Ziel der Preisstabilität ausgerichtete Politik der EZB von den Mitgliedstaaten unterlaufen werden. Der Vertrag verfolge eine "abwegige Sachzwangstrategie", mit der die politische Union durch die Währungsunion erreicht werden solle. Dagegen lehre alle Erfahrung, daß umgekehrt die politische Union Voraussetzung für eine Währungsunion sei. Ohne eine politische Union sei die Gemeinschaft ein unvollkommener Staat, der die sozialen Fragen gerade wegen der Währungsunion nicht bewältigen könne. Die disharmonische Gestalt der Währungsunion, bei der Wirtschaft und Währung, Markt und Wettbewerb gemeinschaftlich geregelt, das Soziale aber national bewältigt werden solle, sei nur durchführbar, wenn man die Sozialpolitik minimiere. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit gerate eine am Vorrang der Preisstabilität ausgerichtete europäische Währungspolitik mit dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes in Konflikt.

Mit Optimismus dürfen Politiker gerne in die Spielbank gehen und Haus und Hof verwetten, im Parlament sollten sie verantwortungsbewußter entscheiden.

Es wird an der Zeit, die Rechte und Unabhängigkeit der Parlamentarier als Individuen zu stärken. Wenn Art. 38 GG aussagt, dass Abgeordnete Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind, dann müssen Vorkehrungen getroffen werden, die Fraktionsmobbing und Diskriminierung wegen Ausscherens von der gewünschten Linie mit Sanktionen belegen.

Ich denke dabei an ein besonderes Verfahren nur für gewählte Volksvertreter analog dem AGG vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Beispiele Hildegard Hamm-Brücher 1982 und Wolfgang Bosbach 2011, die sich wegen ihrer abweichenden Stimmrechtsausübung einem Spießrutenlauf innerhalb der eigenen Fraktion ausgesetzt sahen, dürfen sich nicht ungestraft wiederholen.

4 Kommentare:

  1. Sehr schönes Bild, aber die Schildbürger hatten an ihrem Rathaus nicht die Türen, sondern die Fenster vergessen. Sie haben dann versucht, das Sonnenlicht in Eimern zur Tür herein zu tragen. Passt aber vielleicht auch ins Bild. :-)

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  2. Das hatte Kohl selber schon 1991 gesagt. Der Euro war der politische Preis für die deutsche Einheit.
    Wie der französische Präsident sagte: Versailles ohne Krieg.


    Wirtschaftlich gesehen wäre das Beenden der Währungsunion gut für Deutschland.

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  3. Abwarten. Ein Nadelstich ist harmlos. Viele Nadelstiche sind unerträglich.

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