Die Parteien heirateten im März 2004, das Kind kam im April 2004 zur Welt.
Im Jahre 2008 kam es zur Trennung und im Juli 2009 reichte die Mutter Anfechtungsklage beim Amtsgericht ein. Das Amtsgericht hat der Anfechtungsklage nach Beweisaufnahme stattgegeben, auf Berufung des Beklagten wurde das Urteil aufgehoben, die hiergegen eingelegte Revision der Mutter war erfolglos.
Der Leitsatz lautet:
Der Umstand, dass beim Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann als dem rechtlichen Vater Kondome benutzt wurden, schließt die Kenntnis von der Möglichkeit der Abstammung des Kindes von diesem anderen Mann nicht aus (im Anschluss an Senatsurteil vom 29. März 2006 - XII ZR 207/03 - FamRZ 2006, 771).Weiter führt der BGH am Ende der Entscheidung aus:
Er hat darauf Bezug genommen, dass nach dem sogenannten „Pearl-Index“ bei regelmäßiger Verwendung von Kondomen 2 bis 12 von 100 Frauen innerhalb eines Jahres schwanger werden gegenüber der deutlich höheren Sicherheit bei Einnahme der „Pille“ (Senatsurteil vom 29. März 2006 - XII ZR 207/03 - FamRZ 2006, 771, 773). Zwar könne die Kenntnis der Größenordnung dieser Versagensquoten nicht allgemein vorausgesetzt werden; eine ungefähre Vorstellung von diesem Risiko müsse aber zum Allgemeinwissen gezählt werden. ... Aufgrund der allgemein bekannten Möglichkeit von Anwendungsfehlern kann demnach jedenfalls ein verständiger Laie die Möglichkeit der Abstammung des Kindes von einem anderen Mann nicht schon als in hohem Maße unwahrscheinlich und mithin als ganz fern liegend ansehen. Dass beim anderweitigen Geschlechtsverkehr Kondome benutzt wurden, schließt somit die Kenntnis von der Möglichkeit der Abstammung von einem anderen Mann als dem rechtlichen Vater nicht aus.Diese Entscheidung halte ich aus zwei Gesichtspunkten für bedenklich.
Denn indem Umstände, die nach Auffassung des BGH zum Allgemeinwissen zu zählen sind, zum Maßstab dafür erhoben werden, ob ein bestimmtes Individuum Kenntnis oder Unkenntnis davon hatte, ob die Vaterschaft eines bestimmten Mannes in betracht kommt oder nicht, wird das subjektive Kennen zum Kennen müssen verobjektiviert. Hieraus folgt zwar eine gewisse Rechtssicherheit, weil nichts schwieriger zu beweisen ist, als die positive Kenntnis einer Person hinsichtlich bestimmter Umstände, wenn diese in Gedankengängen und Schlussfolgerungen liegen. Konkret für den hier vorliegenden Fall bedeutet dies, ob hier die Mutter aufgrund ihres vorhandenen Wissens und ihrer intellektuellen Fähigkeiten in der Lage war, das Risiko eines Schwangerschaftseintritts beim Geschlechtsverkehr unter Verwendung von Kondomen einzuschätzen und hieraus die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen, dass auch dieser Sexualpartner durchaus als Vater des Monate später geborenen Kindes in Frage kommt.
Andererseits erscheint es fragwürdig, woher der Senat die Kompetenz für sich reklamieren darf, den Inhalt des Allgemeinwissens im konkreten Einzelfall zu definieren.
Neben diesen rechtlichen Erwägungen ist nun auch die familiäre Situation der Beteiligten zu beleuchten. Nach Zurückweisung der Vaterschaftsanfechtung durch die Mutter gilt deren geschiedener Ehemann, der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit ihr verheiratet war, auch weiterhin als dessen Vater im Rechtssinne; § 1592 Nr.1 BGB. Gleichzeitig ist nach Durchführung der Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht klar, dass biologischer Vater, im Volksmund "Erzeuger" genannt, ein anderer Mann ist. Ob hier die Anfechtungsfristen für den rechtlichen Vater noch offen sind, erscheint möglich. Das Kind selbst könnte die Vaterschaft noch bis zum Jahre 2024 anfechten, § 1600b Abs. 3 BGB. Jedenfalls ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der Familienverband und das Verhältnis des Kindes zu Mutter, rechtlichem Vater und biologischem Vater nunmehr heftigen Turbulenzen ausgesetzt ist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen