Freitag, September 19, 2014

Richter legen Verfahrensrecht wohl nur nach den Bedürfnissen der Gerichte aus

Für mich erneut ein klassischer Fall der Gesetzesauslegung ausschließlich aus Richterperspektive.
BGH XII ZB 155/13, Beschluss vom 20.08.2014


Das Beschwerdegericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Beschwerde verworfen. Die Beschwerdebegründungsfrist sei versäumt, weil das Familiengericht sie nicht wirksam habe verlängern können und die Akte mit dem Verlängerungsantrag erst nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist beim Beschwerdegericht eingegangen sei. Die Frist sei auch nicht schuldlos versäumt. Die Bevollmächtigte des Antragsgegners habe ihre Kanzleiangestellte, die den Verlängerungsantrag an das Familiengericht adressiert und dort eingereicht habe, nicht ausreichend darüber unterrichtet, dass der Fristverlängerungsantrag auch dann beim Beschwerdegericht eingereicht werden müsse, wenn sich die Akte noch beim Familiengericht befinde. Das Familiengericht habe den Antrag im ordentlichen Geschäftsgang an das Beschwerdegericht weitergeleitet. Zu einer besonderen Beschleunigung der Aktenübersendung sei das Familiengericht nicht verpflichtet gewesen.
Rechtsanwälte sollen also "ins Blaue hinein" einen Fristverlängerungsantrag beim Rechtsmittelgericht stellen, obwohl dort das Beschwerdeverfahren noch gar nicht bekannt ist und daher noch gar kein Aktenzeichen vergeben wurde. 

Was macht der angerufene Rechtsmittel-Richter? Er fordert die Akte beim Ausgangsgericht an, denn erst dann ist er in der Lage sachgerecht über den Antrag zu entscheiden. Hier hat der Rechtsmittel-Richter die Akte vorgelegt bekommen, in welcher sich der Fristverlängerungsantrag befand, der aber nach dem Gesetz beim falschen Gericht eingereicht worden sei. 


Also gut, liebe Rechtsmittelrichter, künftig werdet ihr eben Anträge bekommen, ohne die Verfahrensakte dazu, weil es das Gesetz so vorsieht. Da muss man sich an die Stirn greifen, um das zu verstehen!

9 Kommentare:

  1. Ärgert es sie nicht auch, wenn über Ihren Berufsstand unsachlich verallgemeinernde Aritkel geschrieben werden?

    Wie wär's mit:

    "Anwälte treiben Mandanten in aussichtslose Rechtsstreite, nur um Gebühren zu kassieren."

    oder

    "Verteidiger lügen, um ihre Mandanten vor Strafverfolgung zu schützen."

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  2. Nein. Auf die Idee, man könne den Verlängerungsantrag wirksam beim Ausgangsgericht stellen, KANN man nicht kommen, wenn man auch nur ein Minimum an Rechtskenntnissen hat (nach Einlegung der Beschwerde ist die Sache doch gar nicht mehr beim Ausgangsgericht anhängig).

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  3. Yep, Verlängerungsantrag unter Angabe des Aktenzeichens der ersten Instanz und weiterer Mitteilung, das Aktenzeichen der zweiten Instanz sei noch nicht bekannt, meinetwegen mit Kopie der Beschwerdeschrift, beim Rechtsmittelgericht stellen. Das AG kann lediglich den Antrag mit denselben Angaben weiterleiten (denn auch die Bekanntgabe des Aktenzeichens der Rechtsmittelinstanz erfolgt an das AG nicht schneller als an die Rechtsanwälte). Und wenn man dann das Aktenzeichen hat, kann man immer noch auf den bereits unter dem xx.xx.xxxx gestellten und immer noch nicht (!!!!) beschiedenen Antrag verweisen, wenn man auf Nummer sicher gehen will...
    Um ehrlich zu sein: dass man sich als Anwalt gerade im Familienrecht (gehe mal wegen Beschwerde davon aus) schwertut mit der Frage, wo jetzt was einzureichen ist, mag nach der nicht mehr ganz so neuen Reform des FamFG so sein. Peinlich isses natürlich schon, aber Fehler passieren halt. Aber dann die Schuld für einen vermurksten Fristverlängerungsantrag dem Richter des Ausgangsgerichts (und das nach ausführlicher Segelanweisung des Rechtsmittelgerichts!!!) in die Schuhe zu schieben, ohne überhaupt zu verstehen, was passiert ist, ist schon extrem peinlich.

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  4. Peinlich ist in meinen Augen genau dieses Vorgehen. Sinnvoll erscheint mir einzig, die Anträge dort einzureichen, wo sich auch die Akte befindet. Aber das Gesetz will es anders und auch die Gerichte scheinen sich an dem Unsinn nicht zu stören. BRAVO!

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    1. Sie wollen aber jetzt nicht ernsthaft von den Gerichten verlangen, gesetzeswidrig zu handeln, um einen Ausgleich dafür zu Schaffen, dass Sie das Recht nicht kennen?

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    2. Nein, keineswegs.Ich habe eine BGH-Entscheidung zu einem Wiedereinsetzungsantrag kommentiert, wobei ich an diesem Verfahren nicht beteiligt war.

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  5. Im Zweifel Anhörungsrüge einlegen ;)

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  6. Vielleicht sollte der Verfasser seine wertvolle Zeit nicht mit Blogbeiträgen, sondern mit einem Nachhilfekurs "Verfahrensrecht" verbringen....

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  7. Eine andere Kommentierung zur gleichen Entscheidung... in der auch die eindeutige Rechtslage hervorgehoben wird, von der Gerichte bekanntermaßen auch dann nicht abweichen dürfen, wenn ein anderes Vorgehen evtl. "praktischer" wäre (wobei: in der 2. Instanz hat nun mal das Gericht 1. Instanz nichts mehr zu entscheiden, da kann man sich allenfalls darüber streiten, ob das Rechtsmittel nicht gleich beim zweitinstanzlichen Gericht eingelegt werden kann).

    vgl. http://www.rechtslupe.de/zivilrecht/der-fristgerechte-eingang-beim-richtigen-gericht-382329?pk_campaign=feed&pk_kwd=der-fristgerechte-eingang-beim-richtigen-gericht&utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed%3A+Rechtslupe+%28Rechtslupe%29

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