Donnerstag, September 19, 2019

Wunsch und Wirklichkeit im Kanzleialltag

Tauchen Anwälte im Fernsehen auf, dann sind sie meist das gewiefte und manchmal skrupellose Mädchen für Alles. Kein Weg ist zu weit, keine Mühe zu beschwerlich, um dem Mandanten, der nur ein kurzes Telefonat führen muss "kümmern Sie sich bitte darum", zu seinem Recht zu verhelfen.

Was das Fernsehen verschweigt, ist die finanzielle Seite der Medaille. Wer professionelle Arbeitszeit in Anspruch nimmt, muss diese auch bezahlen. Der Vertrag kommt zwischen Anwalt und Mandanten zustande. Ob der Mandant aus irgendwelchen rechtlichen Gründen einen Kostenerstattungsanspruch gegen einen Dritten hat, muss den Anwalt nicht interessieren. (Tut es aber oft, um den Mandanten zufrieden zu machen.)

Nun ein kleiner Fall aus der Praxis:

Herr X hat einen Arbeitsvertrag mit einem Bauunternehmen geschlossen. Er ist auf zahlreichen Baustellen eingesetzt, häuft Überstunden an. Die Arbeitssicherheit lässt zu wünschen übrig. Nach drei Monaten ist immer noch kein Gehalt auf dem Konto. Nachdem Herr X seinen Arbeitgeber unter Druck gesetzt hat, geht ihm die fristlose Kündigung zu.

Im Fernsehen reicht der Anwalt Kündigungsschutzklage ein, wegen der verfristeten Kündigung. Er reicht Lohnzahlungsklage ein. Er kümmert sich um das Jobcenter. Die Gewerbeaufsicht wird verständigt wegen der Arbeitssicherheit, die Krankenversicherung wegen unterbliebener Abführung von Sozialbeiträgen, das Finanzamt wegen nicht abgeführter Lohnsteuer und die Staatsanwaltschaft erreicht eine Anzeige wegen Betruges, etc.

All das kann man machen und ist auch je nach Einzelfall sinnvoll, um eine Droh- und Druckkulisse aufzubauen. Aber all das kostet.

Mandant hat keine Rücklagen und keine Rechtschutzversicherung. Für die arbeitsgerichtlichen Verfahren kann er eventuell Prozesskostenhilfe erhalten.

Und der Rest? Mit jedem Schreiben wird ein rechtlich eigenständiger Komplex bearbeitet, der jeweils eigene Haftungsansprüche auslösen kann. Eigentlich kann und darf das nicht eine kostenfreie Kulanzleistung des Anwalts sein.

Also rechnen wir:

Kündigungsschutzklage (Streitwert 6.000)  - 1498,21 EUR
Lohnzahlungsklage (Streitwert 2.000) - 787,78 EUR
Jobcenter wg. ALG - ca. 250,00 EUR
Gewerbeaufsicht (Streitwert 5000) - 492,54 EUR
Krankenkasse - ca. 250,- EUR
Finanzamt - ca. 200,00 EUR
Strafanzeige ca. 300,00 EUR
Summe  ca. 3.780,00 EUR

Und nun fragen wir uns,

Wer wäre bereit ca. 3.800 EUR in die Hand zu nehmen, um Lohn in Höhe von 2000,00 EUR zu realisieren?
Welcher Anwalt ist im Arbeitsrecht, Arbeitsschutzrecht, Sozialversicherungsrecht, Steuerrecht und Strafrecht so versiert, dass alle Aspekte auch hochprofessionell abgearbeitet werden können?


Fazit:

Nicht alles, was sich ein Mandant oder Drehbuchautor wünscht, kann auch umgesetzt werden. Häufig scheitert es ganz einfach am nötigen Kleingeld

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