Freitag, April 25, 2008

Wer zahlt bei minderjährigen Patienten ?

In jüngster Zeit sammeln sich bei mir Inkassomandate von Ärzten, Zahnärzten und Tierärzten wegen unbezahlter Rechnungen. Gerade bei den Zahnärzten ist zu beobachten, dass die wegen der gesetzlich vorgesehenen restriktiven Erstattungspraxis immer höher werdenden Zuzahlungen auch und gerade bei minderjährigen Patienten nicht mehr bezahlt werden.

Das alleine ist schon Grund genug sich eingehender mit der Materie zu beschäftigen.

Minderjährige sind bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres uneingeschränkt geschäftsunfähig; § 104 BGB. Ab diesem Alter hängt die Wirksamkeit von Willenserklärungen von der Einwilligung bzw. Genehmigung des oder der Erziehungsberechtigten ab. (vgl. §§ 107, 108 BGB).

Das ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. In den seltensten Fällen verfügen Minderjährige bereits über die entsprechenden Vermögenswerte, um die begründeten Forderungen auch erfüllen zu können. Spätestens im Rahmen der Zwangsvollstreckung drohen die Gläubiger leer auszugehen. Auf die Problematik des Eingehungsbetruges (ab dem 14. Lebensjahr denkbar) oder der arglistigen Täuschung über die eigene Bonität soll hier gar nicht eingegangen werden.

Eine Überleitung des Unterhaltsanspruches gem. §§ 1601, 1626 BGB setzt die Existenz einer titulierten Forderung und die Forderungspfändung bei den Unterhaltsschuldnern voraus. Unvorhersehbare Heilbehandlungskosten stellen nämlich Sonderbedarf dar, für den die Eltern gemeinsam aufzukommen haben.

Die Rechtsprechung gibt dem Gläubiger einen eleganteren Weg vor. Einen Direktanspruch gegen beide Eltern aus Vertrag zugunsten Dritter.

Wird ein minderjähriges Kind zur stationären Behandlung eingeliefert, dann wird der Behandlungsvertrag in der Regel zwischen den Eltern und dem Krankenhausträger als Vertrag zugunsten des Kindes zustande kommen (§§ 611, 328 BGB; s. oben unter II 1 c aa m.w.N.). Aus einem solchen Behandlungsvertrag werden, soweit sich nicht aus den Umständen etwas anderes ergibt, beide Eltern berechtigt und verpflichtet; es kommt grundsätzlich nicht darauf an, wer das Kind zur Aufnahme in die stationäre Behandlung begleitet hat.

BGH, Urteil vom 28.04.2005, III ZR 351/04

Bei minderjährigen Patienten sollte man sich daher nicht mit den auf der Versichertenkarte enthaltenen Informationen begnügen, sondern im Hinblick auf die später beabsichtigte Rechnungsstellung, Namen, Vornamen, Familienstand und Anschrift beider Elternteile geben lassen. Die Verfügbarkeit dieser Daten erleichtert im Zweifel auch die Rechtsverfolgung ungemein.

Da die Eltern als Gesamtschuldner haften, hat der Gläubiger ein Wahlrecht, welchen Elternteil er in Anspruch nehmen will. Denn jeder Elternteil haftet bis zur vollen Begleichung des Rechnungsbetrages für den Gesamtbetrag.

Dabei sind die Vorschriften über Fälligkeit und Verzugseintritt zu beachten. Nach § 10 GOZ wird die Vergütung fällig, wenn dem Zahlungspflichtigen eine dieser Verordnung entsprechende Rechnung erteilt worden ist. Die GOÄ kennt ähnliche Voraussetzungen.

Um sich das Wahlrecht zu erhalten, sollte der Arzt/Zahnarzt gegenüber beiden Elternteilen abrechnen und dabei deutlich machen, dass es sich um die Geltendmachung einer Gesamtschuld handelt, dass also zwei Schuldner wegen einer identischen Forderung in Anspruch genommen werden. So sollte die selbe Rechnungsnummer verwendet werden und die Rechnung einen deutlichen Zusatz enthalten (ich nehme Sie gemeinsam mit dem anderen Elternteil wegen Heilbehandlung ihres Kindes am... wegen nachstehend spezifierter Leistungen wie folgt in Anspruch...).

Um nun auch die Kosten der anwaltlichen Tätigkeit mit Erfolg geltend machen zu können, müssen alle Gesamtschuldner durch Mahnung nach Eintritt der Fälligkeit oder wirksamen Hinweis nach § 286 Abs. 3 BGB vor Beauftragung eines Rechtsanwalts in Verzug gesetzt worden sein.

Das klingt ziemlich kompliziert, lässt sich jedoch durch geschickten Einsatz von Patientenaufnahmebögen sicher in den Griff kriegen.

Recht haben und Recht kriegen ist oft zweierlei, denn es gilt auch der Grundsatz ohne Schweiß kein Preis.

5 Kommentare:

  1. Schöner Beitrag. Aber müsste für einen wirksamen Vertrag der Patient nicht vor der Behandlung über die bestehenden Kosten informiert werden? Der schwammige Hinweis, die Füllungen würden nicht ganz von der Kasse übernommen und eine Zuzahlung von ungefähr X € wäre notwendig, reicht doch kaum aus, oder?
    Zusätzlich stellt sich noch das Problem der Beweislast. Mit einem bloßen Brief an die Eltern unter Hinweis auf die Zahlungspflicht aus GoA dürfte es also nicht getan sein.

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  2. Umgekehrt, fände ich richtiger.

    Der Arzt/Zahnarzt/ erbringt doch zweifellos eine entgeltliche Leistung. In den meisten Fällen richtet sich das Entgelt nach einer Gebührenordnung (GOZ/GOÄ), also ist § 612 BGB einschlägig.

    Die Besonderheit, dass eine Krankenversicherung besteht, entlastet doch den Schuldner. Der Arzt/Zahnarzt trägt damit noch lange nicht das Vergütungsrisiko, d.h., ob eine erbrachte Leistung auch ganz oder teilweise in den Risikokatalog der KV fällt.

    Und bei teuren Zahnprothesen muss immer ein heil- und Kostenplan bei der KV eingereicht werden, aus dem auch der nicht versicherte Eigenanteil zu entnehmen ist.

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  3. Die rechtsprechung nimmt auch keine Geschäftsführung ohne Auftrag an, sondern einen Vertrag zu Gunsten Dritter. Das heißt zwischen den Eltern und dem Arzt kommt ein Behandlungsvertrag zu Gunsten des Kindes zustande.

    Das Kind kann die Leistung vom Arzt fordern, die Eltern müssen bezahlen.

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  4. OK, § 612 macht Sinn, ist ja ein Dienstvertrag.
    Aber wie Verhält es sich mit dem Vertrag zugunsten Dritter? Damit dieser vorliegt, müsste doch ein Elternteil einen Vertrag über die Behandlung des Kindes mit dem Arzt abgeschlossen haben. Aber wenn das Kind selbständig zum Arzt geht, sind die Eltern doch in keiner Weise involviert. Wird der Vertragsschluss dann fingiert, oder ist die Anspruchsgrundlage nicht vielmehr im Familienrecht zu suchen?
    Auf jeden Fall ein spannendes Thema. Könnte man eine schöne Klausur draus machen. ;-)

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  5. Hab da ein kleines Proble was hier passt.

    Kein Sorgerecht, kann demnach auch keinen Behandlungsvertrag abschließen. Die Kinder sind über mich versichert.

    Honorarschuldner kann meiner Meinung nach nur die Mutter sein. Ich bin ihr gegenüber erstattungspflichtig, aber ich denke nicht dem Arzt gegenüber.

    Trotzdem bekomme ich die Arztrechnungen und sehe dort die Krankendaten usw. Ohne Sorgerecht dürfte da auch die ärztliche Schweigepflicht mir gegenüber berührt sein.

    Würde da gerne eine Meinung zu haben.

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