Dienstag, August 08, 2006

Sozialstaat am Ende

Ronald Pofalla hat für seinen Vorstoß, Kinder arbeitsloser Eltern zu Unterhaltsleistungen heranziehen zu wollen, viel Prügel einstecken müssen; auch von mir. Mir zeigt der Vorschlag aber, dass der Sozialstaat dabei ist sich zu verabschieden.

Denn, wenn ausgerechnet kinderlose Sozialabgabenzahler die Nutznießer sind, weil ja die kinderhabenden Beitragszahler zunächst bei ihren Kindern vorstellig werden sollen, dann muss die Frage erlaubt sein, ob es richtig ist, dass Eltern überhaupt Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bezahlen.

Selbst wenn man den Vorschlag Pofallas auf ALG II beschränken würde; Eltern können mit dem Einkommen nicht zugleich Nachwuchs erziehen und großziehen und sich für den Fall der Fälle noch ein Polster anlegen. Das können (theoretisch) Kinderlose viel einfacher. Wenn die ihr Polster aufgebraucht haben, steht Papa Staat parat. Die Eltern werden auf die familiäre Solidargemeinschaft verwiesen. Ein Irrweg.

Ebenso ist es ein Irrweg, wenn bei Ehegattenarbeitsverhältnissen die Ehefrau lange Jahre sozialabgabenpflichtig im Betrieb mitgearbeitet hat, die Bundesagentur im Leistungsfalle den Bestand eines (einem Drittvergleich standhaltenden) Arbeitsverhältnisses verneint und (wie das Hessische Landessozialgericht erst entschieden hat) eine Rückzahlung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nur für die letzten vier Jahre in Betracht kommt. Auch hier wird der Sozialstaat auf Kosten der Familie subventioniert.

Frau Schmidt (noch-Gesundheitsministerin) beschimpft Fachärzte, die Kassen- und Privatpatienten unterschiedliche Wartezeiten zumuten. Die Ärzte stehen im Markt und tragen volles Insolvenzrisiko, während Frau S. Steuergelder kassiert. Die gesetzlichen Krankenkassen vergüten die Ärzte nach einem diffusen Punktekontingent, dass dazu führt, dass etwa 30 Prozent der erbrachten Leistungen nicht bezahlt werden, während bei Privatpatienten jeder Handschlag abgerechnet werden kann. Als unternehmerisch denkender Arzt, der für sein Personal Urlaubs- und Weihnachtsgelder, Lohnfortzahlung und Mutterschaftsgeld erwirtschaften muss, sich regelmäßig fortbilden, die Praxis technisch und baulich auf dem neuesten Stand halten soll und auch noch seine eigenen Urlaube irgendwie finanzieren muss, würde ich auch die Privatpatienten bei Laune halten. Wem das nicht passt, sollte nicht auf dien Ärzte schimpfen, sondern das Vergütungssystem der Kassenpatienten ändern.

Dieses Sozialsystem ist nicht mehr reformierungswürdig, sondern so marode, dass es niedergerissen und neu aufgebaut werden muss. Für diese Erkenntnis können wir Herrn Ronald P. dankbar sein.

3 Kommentare:

  1. Ist es nicht ein Irrweg, wenn heute die Sozialgemeinschaft als primär Verantwortlicher gesehen wird und nicht die Familie als "Keimzelle" jeder Gemeinschaft? Sollte es nicht selbstverständlich sein, dass man in einer Familie füreinander sorgt? Das sehen das BGB und das Recht der Sozialhilfe genauso. Soll jeder, der nicht mehr für sich selbst sorgen kann, zunächst nach dem Staat und erst dann nach den Kindern rufen dürfen, wenn der Staat nicht mehr willens oder in der Lage ist zu zahlen? Im Übrigen würde ich es mir dreimal überlegen, ob ich Sozialhilfe/ALG 2 oder ähnliches in Anspruch nehmen will, wenn mir meine Eltern weiterhelfen könnten. Umgekehrt sollte das gleiche gelten.

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  2. Auf den zivilrechtlichen Aspekt habe ich unter " http://philorama.blogspot.com/2006/08/endlich-mal-was-neues-in-der-politik.html " hingewiesen.

    Die Ungerechtigkeit, dass Familien einerseits eine eigene Solidargemeinschaft bilden und immer mehr Leistungskürzungen erfahren, andererseits die Familienmitglieder die gleichen Beitragssätze bezahlen wie "Alleinstehende", ist damit noch nicht aus der Welt geschafft.

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  3. Alleistehende könnten fragen, warum sie den gleichen Beitragssatz für die GKV zahlen müssen wie eine Familie mit drei Kinern, bei der nur einer erwerbstätig ist. Ungerecht? Vielleicht. Aber so gewollt und mE auch vertretbar (obwohl steuerfinanziert besser wäre).
    Außerdem finden die Leistungskürzungen primär in Bereichen statt, die steuerfinanziert sind und nicht beitragsfinanziert (frühere Arbeitslosenhilfe, jetzt ALG 2; Sozialhilfe).

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