Mittwoch, März 19, 2008

Ein böser Gedanke durchzuckt meine Stirn

An der Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung haben sich 34.451 Individuen beteiligt; sie wird somit bereits aus diesem Grunde in die Annalen der deutschen Rechtsgeschichte eingehen.

Heute hat das Bundesverfassungsgericht eine einstweilige Anordnung getroffen und die Weitergabe der gespeicherten Daten von den Telekommunikationsprovidern an die Strafverfolgungsbehörde auf Verdachtsfälle beschränkt, die schwerste Straftaten zum Gegenstand haben.

Kann alleine die bloße Masse und Unüberschaubarkeit der Beteiligten Verfahrensvorschriften außer Kraft setzen ?

§ 18 BVerfGG lautet:

(1) Ein Richter des Bundesverfassungsgerichts ist von der Ausübung seines Richteramtes ausgeschlossen, wenn er
1.
an der Sache beteiligt oder mit einem Beteiligten verheiratet ist oder war, eine Lebenspartnerschaft führt oder führte, in gerader Linie verwandt oder verschwägert oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade verschwägert ist oder
2.
in derselben Sache bereits von Amts oder Berufs wegen tätig gewesen ist.
(2) Beteiligt ist nicht, wer auf Grund seines Familienstandes, seines Berufs, seiner Abstammung, seiner Zugehörigkeit zu einer politischen Partei oder aus einem ähnlich allgemeinen Gesichtspunkt am Ausgang des Verfahrens interessiert ist.
(3) Als Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gilt nicht
1.
die Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren,
2.
die Äußerung einer wissenschaftlichen Meinung zu einer Rechtsfrage, die für das Verfahren bedeutsam sein kann.
Haben eigentlich alle an der Entscheidung beteiligten Richter (auch und vor allem beim Hauptsacheverfahren) die Beteiligtenliste durchgesehen und die Namen auf Verwandschaft oder Schwägerschaft hin überprüft ?

Nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen wäre eine Entscheidung, die unter Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters zustande gekommen ist, nichtig. Nun gibt es aber keine Rechtsmittel gegen Entscheidungen gegen des BVerfG. Es sei denn, der EGMR würde einen Verstoß gegen das in der EMRK normierte Recht auf ein faires Verfahren annehmen.

Fragen über Fragen, bevor ich hier meine Habilitationsschrift fertige, belasse ich es lieber bei einem anderen Grundsatz: Wo kein Kläger, da kein Richter

6 Kommentare:

  1. Interessante Fragen. Vor allem: Kann man eine Verfassungsbeschwerde somit allein schon dadurch zu Fall bringen, dass man einen Verwandten jedes der 16 Verfassungsrichter dazu bringt einen gleichlautenden Antrag zustellen?
    Ist § 18 BVerfGG nicht vielleicht selbst verfassungswidrig, weil er in gewissen Fällen einen effektiven Rechtsschutz vor dem BVerfG verhindert? Und könnte das BVerfG ihn dann von Amts wegen außer Anwendung lassen, wenn es ihn für verfassungswidrig hält? Oder bedarf es dazu eines eigenen Antrags? Und wer dürfte den stellen?

    Für die heutige Entscheidung ist das ganze aber insoweit ohne belang, da, ausweislich der Entscheidung, nur über den Antrag der acht Erstbeschwerdeführer entschieden wurde.

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  2. Meine Gedankenspiele beziehen sich vor allem auf die Hauptsacheentscheidung mit ihren 34.451 Beteiligten.

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  3. Ich weiss ja nicht, wie das sonst so ist, aber wenn meine Frau eine Verfassungsbeschwerde durchführt, wüsste ich davon (glaube ich jedenfalls...).

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  4. @ Florian

    Was ist mit der Ex-Frau, einem Neffen, einer Tante oder gar der ausgeflippten Schwester ihrer Ex-Frau ?

    Haben Sie da auch noch den Überblick ?

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  5. Nachschauen könnte man durchaus mal. Dann dürfen die Richter nochmal ran, und können die VDS gleich ganz verbieten.

    Einen Versuch wär's doch wert, oder?

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