Freitag, Mai 08, 2009

Ent-Emotionalisierung

Ob die Jugend ein Alkoholproblem hat, weil die Erwachsenengeneration ein Alkoholproblem hat, weil die Werbung für alkoholische Getränke omnipräsent ist, wage ich zu bezweifeln. Die ständigen Reize mögen das ihre dazu beitragen, Alkohol war aber schon immer Bestandtteil unserer Kultur.

Was mich bewegt ist eine Ent-Emotionalisierung oder sollte ich schreiben, Verrohung, der Gesellschaft? Virtuell einem Gegner den Kopf wegzuschießen und das Blut spritzen zu sehen, ist das eine. Ist ja nur virtuell. Einem Menschen beim Leiden zuzuschauen und statt zu helfen, ein Video aufzunehmen und Fotos zu machen, ist das andere.

Die Jugend trifft sich zum Koma-Saufen. Ein junges Mädchen setzt eine 0,7l Flasche Wodka an, leert diese in wenigen Sekunden und wird bewußtlos. Das Video kann bei You-Tube bestaunt werden.

“Man” betrinkt sich auch heute nicht mehr im Freundeskreis, sondern verabredet sich via sms und e-mail mit wildfremden Personen zum flash-mobbing. Das Saufen hat Event-Charakter. Auf Hilfe darf “man” bei diesem wildfremden Publikum nicht hoffen; der medizinische Notfall, das Anrücken der Sanitäter mit Sirene und Blaulicht gehört zum Unterhaltungsprogramm. Das Anfertigen von Videos und Fotos mit den Multimedia-Handys zum Beweis, “Ich war dabei” und zur raschen Verbreitung im Netz ist wichtiger.

Vorurteile eines spießigen CDU-Möchtegernpolitikers ? Mitnichten.

In meiner Rechtsanwaltskanzlei liegt mir gerade eine dicke Strafakte zur Einsicht vor. In einer Privatwohnung treffen sich 4 Personen, darunter ein Minderjähriger. Es wird Alkohol und Heroin konsumiert, der Wohnungsinhaber bricht mit Atemnot zusammen. Man legt ihn in die Badewanne, um ihn abzukühlen. Der junge Mann ist am Sterben. Statt einen Krankenwagen zu rufen, hauen die “Gäste” ab, treffen im Treppenhaus einen weiteren Besucher. Der “XY” ist tot, zum Beweis zeigen sie ihr Handy mit Fotos, die XY in der Badewanne zeigen.

Etwas läuft falsch in der Gesellschaft. Noch mag es sich um spektakuläre Einzelfälle handeln, doch auch bei einem Eisberg ragt nur die Spitze aus dem Wasser während das eigentliche Problem viel tiefer liegt.

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